Oktober – Mühsam

Auch ein letztes Aufbäumen hilft nicht mehr. Der Infekt setzt uns schachmatt. Bei mir reichte die letzte Energie noch bis zum Abflug unseres Besuchs Anfang Oktober. Doch nun fordert der Körper sein Recht. Ich bin todmüde, beneide jede Schnecke um ihr Haus in dem sie die Tür zur Welt verschließen kann. Der tägliche Kampf sich selbst zu motivieren ist fast nicht mehr zu ertragen. Ich möchte einfach nur noch die Augen schließen und mich fallen lassen. Doch die andere Seite in mir gibt mir einen Tritt in den Hintern und sagt: „Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen“.

Und so genieße ich doch hin und wieder das Leben und bemühe mich, wieder auf die Beine zu kommen. Die herbstlichen Temperaturen tragen zur Entspannung bei. Nachts an die 16 Grad, tagsüber noch bis 25 Grad. Die Sonne ist nun nötig, um das jetzt schon ausgekühlte Haus zu erwärmen. Also erst mal die Sonnenbeschattung vom Dach holen. Als nächstes werden die Fenster vom Sonnenschutz befreit. Alles geht langsam, wir haben beide nur noch begrenzte Kraftreserven. Othmar ist allerdings schneller wieder auf den Beinen.

Am 14. Oktober donnert es gewaltig. Dann die ersten Blitze am Himmel und….. der erste Regen. Auch am nächsten Tag kommt endlich das lang ersehnte Nass vom Himmel. Diesmal richtig große Tropfen, diese Faszination kann nur jemand verstehen, der lange Monate nur Trockenheit und Hitze durchlebt hat. Leider war es das dann auch schon wieder.

Mein Radius ist immer noch sehr klein, die Energie weit entfernt. Othmar hat sich aufgerafft und unser Dach neu gestrichen. Eine Meisterleistung nach dieser auszehrenden Krankheit. Doch manchmal ist es nötig sich selbst zu beweisen, dass man es noch schaffen kann. Wahrscheinlich ist das die Triebfeder um täglich weiterzumachen. Ich habe die letzten Tage genützt, mal wieder etwas zu putzen. Ganz langsam und über fünf Tage verteilt. Es gibt mir das Gefühl, auch in meinem Leben etwas sauber zu machen.

Doch es gibt auch Grund zur Freude. Endlich – nach über drei Wochen warten und bangen – wurden uns die restlichen 2 t Holz geliefert. Super geschnitten und das beste Brennholz seit Jahren. Der neue Holzhändler war es wert, ihm eine Chance gegeben zu haben.

Nun ist der Monat schon wieder vorbei und ich führe meinen täglichen Kampf um positives Denken und nicht aufgeben weiter. Allerdings lasse ich auch den Gedanken an einen Flug nach Deutschland immer mehr zu, denn es ist sicher wieder eine Vergiftung, die mich so lange zu Boden drückt. Doch noch hat sie den Kampf nicht gewonnen.

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