Oktober – Lebensfreude kehrt zurück

Es tut so gut, endlich fühle ich mich wieder lebendig. Die Unbeschwertheit kehrt zurück, das Lachen, die Neugier. Das Feuertrauma löst sich langsam auf, sucht sich einen Abstellplatz in der Seele. Es hat uns geprägt, aber nicht in die Knie gezwungen. Die Lebensanschauung hat sich wieder etwas geändert, noch mehr im Jetzt, im Heute, im Hier zu geniessen. Kleinigkeiten gewinnen an Größe, werden bestaunt und dankbar verinnerlicht.

Es ist Herbst geworden – wie immer ganz schnell. Die Temperaturen zwischen nachts 16 Grad, tagsüber noch an die 25. Nun wird die Sonne wieder wichtig, der Sonnenschutz von den Fenstern und vom Dach kommt in`s Winterlager. Wärmere Decken müssen in die Betten und meine Wärmflasche für`s Kreuz wird aktiviert.

Am 04. Oktober kommt endlich wieder Leben in die Bude – Stefan ist angekommen. Der wird erst mal in der Küche getestet, ob er auch nichts verlernt hat.


er hat es wirklich noch drauf – original Frühlingsrollen und Curryecken nach unserem alten Rezept aus der Volkshochschulzeit


sie schmeckten fantastisch

Die gemeinsamen Tage sind spannend, so viel zu erzählen nach über zwei Jahren. Zusammenzusitzen ist halt einfach schöner, als nur per Video zu ratschen. Wir erzählen vom Feuer und er kann es nun – hier vor Ort – richtig verstehen.

Wir machen einen Ausflug nach İçmeler zu Freunden. Da ist die Katastrophe in aller Schonungslosigkeit zu sehen.


hier war mal alles grün
nun wird einfach alles abgesägt – egal ob nur leicht verbrannt und überlebensfähig oder wirklich abgestorben


mir liefen die Tränen auf meiner Lieblinsstrecke bei diesem Anblick – es sitzt tief

Doch es gibt ja auch viel Schönes. Zum Beispiel einen Ausflug nach Datça, dort waren wir schon viele Jahre nicht mehr.


der Bazar ist immer noch ein Traum


hier spürte ich schon immer ein besonderes Flair


und manche Dinge ändern sich nie


strahlender Sonnenschein und gute Laune, was will man mehr


es erstaunt mich immer wieder, dass wir älter werden – zumindest auf den Fotos

Nach fünfzehn Jahren haben wir es wirklich geschafft, auch mal Eski Datça zu besuchen. Leider wirkte es auf uns eher wie Disneyworld, vieles wurde renoviert, wirkte aber eher unecht.


das sieht wohl schön aus….


doch uns fehlte die Seele des alten Dorfes

Zum Ausgleich dafür gab`s Gartenarbeit – Othmar hatte sehr auf Hilfe gehofft, da ihm sein Kaktus im wahrsten Sinne des Wortes über den Kopf wuchs.


wo fangen wir an?


geht doch nix über Teamwork

Wo wir hinkommen ist gerade Olivenernte.


das ist Schwerarbeit hier, da alles von Hand gemacht wird


dieses Bild hat mich sehr berührt, denn es erzählt die Geschichte dazu
(Quelle/Foto: Human Aid Initiative, Omar Dawabsheh)

Ein Freund von uns durfte nach schwerer Krankheit über den Regenbogen gehen. Vieles geht mir durch den Kopf, der Tod macht mich demütig. Was sind wir schon außer einem kleinen Staubkorn, das hier auf Mutter Erde soviel Unheil anrichtet? Umso schöner – trotz des traurigen Anlasses – wieder eine türkische Beerdigung mitzuerleben. In der Türkei ist es Tradition, dass der Tote spätestens einen Tag nach dem Eintreten des Todes beerdigt werden muss. Eine Sure aus dem Koran wird so ausgelegt, dass der Mensch aus der Erde stammt und unverzüglich wieder in die Erde muss, wenn der letzte Lebenshauch ausgeatmet ist. Der Tote wird in ein weißes Tuch gewickelt. In diesem Tuch, ohne weitere Bekleidung wird er dann in einen Sarg gebettet. In dem Sarg wird der Tote zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Friedhof getragen bzw. gefahren.


Der Platz dort war schon lange vorher ausgesucht worden. Als erstes kam der Bagger und hat die Grube ausgehoben. Anschließend kam eine Schafherde vorbei und beäugte neugierig die Vorgänge.


Die Trauergäste begleiten den Verstorbenen auf seinem letzten Weg in einem Trauerzug. Dann wird das Gebet vom Hoca gesprochen und der Sarg wird wie bei einer Prozession von den Männern immer weitergereicht. Begraben werden die Toten nur in dem weißen Tuch in das sie gewickelt wurden. Der Sarg wird nicht mit eingegraben.


Dann wird mit Erde aufgeschüttet und die Steine dienen zur Stabilisierung der Grabstätte, bis sich die Erde gesetzt und ein Stein darauf errichtet werden kann. Der natürliche Umgang hier am Dorf mit dem Tod erleichert es, ihm ins Auge zu sehen.

Doch das Leben hat ja viele Facetten und ich hatte das Glück mich an meinen 65. ganz liebevoll und kulinarisch fantastisch feiern zu lassen – Danke dafür

Nun beginnt die ruhige Zeit. Die Temperaturen liegen jetzt Ende Oktober nur noch zwischen 14-22 Grad. Gestern begann der erste heftige Regen, der dringend nötig war. Es schüttete wie aus Eimern und unser kleiner im Sommer leerer  Bach hier im Dorf rauschte – endlich wieder mit Wasser gefüllt – ins Tal. Der Sommer war anstrengend, umso gemütlicher werden wir es uns nun machen.

 

 

 

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