September – Kokon

Es fühlt sich immer noch unwirklich an. Eine Rückkehr in das „normale“ Leben läuft irgendwie so gar nicht richtig. Es ist nur ein Funktionieren. Vieles fällt schwer, ein Gefühl als wäre man mit Blei gefüllt. Alles was vor dem Feuer wichtig erschien, ist Vergangenheit. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Lebens – von der mir erst jetzt bewußt wird, dass sie da war – hat sich zurückgezogen. Es fühlt sich an wie ein großer Verlust. Wir – die wir das Feuer direkt miterlebt haben – verstehen uns ohne Worte. Wir fühlen ähnlich, was den Alltag betrifft. Kochen, putzen, im Garten arbeiten, einkaufen – was auch immer – ist so unwichtig geworden. Ich möchte wieder raus aus dieser Lethargie, mich auf irgendetwas freuen können. Psychische Schwerstarbeit ist angesagt.

Aufbauend dagegen sind die Temperaturen, der Herbst beginnt wie immer hier von einem Tag auf den anderen. Nachts nur noch an die 20 Grad, tagsüber 28-30 Grad. Das fühlt sich gut an.

Nun fordert uns also doch der Alltag und ganz leise fühle ich das Pulsieren des Lebens wieder in mir. Brennholz muss bestellt werden. Ende August lag die Tonne noch bei TL 850,–, als wir einige Tage später bestellen wollten, war die Tonne schon bei TL 1.000,–. Wir waren wieder mal entsetzt und fanden noch einen zweiten Holzlieferanten, der „nur“ TL 950,– verlangte.


fünf Tage waren nötig, um die 4 t zu verräumen – wir werden langsamer

Am 14. September dann endlich der lang ersehnte erste Regen nach fast sechs Monaten Hitze und Dürre. Und es hat wirklich geschüttet. Die Natur ist gereinigt von der Asche und schon einige Tage später beginnt ganz zart das neue Grün zu erwachen.


das Atmen fällt nun leichter bei diesem Anblick

Als nächstes musste der Pool abgebaut werden. 24 Grad Wassertemperatur sind definitiv zu kalt für uns.


erst trocknen und dann ab ins Winterlager damit

Am 16. September habe ich noch eine spontane Bootsfahrt mit Bilge und Irmgard von Selimiye aus gemacht. Die Seele wieder mal baumeln lassen und nur ins Wasser schauen.


trotz Wind und Wolken war es wunderschön

Unser Stefan hat sich für zwei Wochen ab Anfang Oktober angesagt. Das war die Medizin, die ich gebraucht habe, um durchzustarten und in den Alltag zurückzukommen. Eine Woche anstrengendster Großputz – von den Ascheresten bis zu den Wollmäusen war alles vorhanden. Die Aktion hat auch meine Seele gereinigt, nun geht es mir wirklich besser.

Und so sieht der Herbst in der Türkei aus:


Blütenpracht


kräftige Farben


nichts lässt sich aufhalten


riesige Granatäpfel


und unser „echter Lorbeer“ trägt nach sieben Jahren das erste Mal Früchte


auch die Maracuja – ein Geschenk – bedankt sich mit der ersten Blüte

Nun bereite ich die Einkaufs- und Kochlisten vor, denn Besuch ist mittlerweile eine Besonderheit, auf die man sich mit ungeahnter Freude vorbereitet.

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