Juni – Mikrokosmos

Ganz klein wird die Welt, wenn man so aus dem normalen Alltag rausgerissen wird. Othmar musste zwei schwere Operationen innerhalb von drei Tagen über sich ergehen lassen. Zweimal musste sein Körper das heftige Narkosemittel verkraften, das ihm beim Aufwachen sehr zu schaffen machte. Vom 31. Mai bis zum 16. Juni verbrachte er die Zeit in Muğla im Yücelen-Krankenhaus. Ich war bis auf zwei Tage Unterbrechung die ganze Zeit an seiner Seite.

Hier bei uns in der Türkei ist es üblich, dass die Familienangehörigen bei den Patienten bleiben – und zwar Tag und Nacht. Wie hilfreich das für Beide ist, konnten wir dort jede Minute erleben. Vor allem die anstrengenden, langen Nächte haben uns gemeinsam vieles erleichtert. Einfach für den anderen da zu sein, seine Hand zu halten und zu spüren gibt schon enorme Kraft. Untergebracht waren wir in einem geräumigen Einzelzimmer mit Bad – auch das ist häufig der Fall. So konnte ich mein müdes Haupt zwischendurch auf den ausziehbaren Schlafsessel legen, der wirklich sehr bequem war.

Trotz dieser schweren Zeit konnten wir auch so vieles an Schönem erleben. Menschen, die bis dahin unbekannt waren, standen uns zur Seite. Sei es mit Hilfe bei Übersetzungen, sei es mit Besuchen, guten Wünschen oder einfach mal einer innigen Umarmung. Es war unglaublich, immer wenn ich dachte, es geht nicht mehr weiter, kam ein guter Geist und motivierte uns.

Der Kardiologe, der ihn operiert und betreut hat, war ein Geschenk des Himmels. Ein Arzt mit solch einer empathischen Gabe, der nie aufgegeben hat zu unterstützen, zu erklären, zu beruhigen – und, ganz wichtig – auch Spaß zu machen.

Meine Meinung „Egal, wo auf der Welt mir etwas passiert, brauche ich einen Schutzengel, sonst nützt die beste Klinik nichts“, hat sich hier wieder einmal bestätigt.

Ich bin nun wieder in unserem wunderbaren Zuhause mit meinem Mann und kann die Welt dort draußen noch weniger verstehen. Was ist denn wirklich wichtig? Gesund zu sein, ein Herz voll Liebe zu haben und das mit anderen zu teilen. Sich zu freuen an der Liebe und Zuneigung der Kinder, der guten Freunde und auch der herzlich Anteil nehmenden Nachbarn hier. So stell ich mir mein Leben vor und ich werde mich noch weniger mit dieser negativen politischen Welt befassen. Ein paar Schlagzeilen zur Information genügen voll und ganz.

Wir sind sehr demütig geworden und freuen uns über jeden kleinen gesundheitlichen Fortschritt. Unseren Blick richten wir auf den wunderbaren Wechsel der  Natur und auf all das Schöne, das diese Welt doch wirklich zu bieten hat. Und natürlich vor allem auf unsere noch intensivere „Zweisamkeit“.

Auch wenn uns Zuversicht und Lebensfreude manchmal so klein wie Zwerge vorkommen: Sie sind schlafende Riesen, die wir wecken können.

 

 

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