Am 02. August Weißwurstessen in Grafrath, jetzt ist auch unsere Bilge aus der Türkei noch angekommen. Und zu unserer großen Freude Christina aus Amerika, die vor Jahren unser Häuschen samt Katzen in Orhaniye gehütet hat. Es ist wie ein Familientreffen. Allerdings ging`s mir gar nicht gut, ich hatte die Nacht vorher wieder einen Ring unter der Brust mit heftigen Schmerzen samt Übelkeit. Somit für mich nur ein paar Löffel Suppe und dann auf Tante Lieselottes Couch. Es hat sich angefühlt wie in der Kindheit mit dem sanften Geräuchpegel samt Lachen der mich in einen tiefen Schlaf begleitete.
Wieder zuhause in Inning ging es mir immer schlechter. Dazu diese grauenhafte Übelkeit und Schmerzen, die immer heftiger wurden. Othmar telefonierte sich durch die Bereitschaftsärzte, doch dann brauchten wir ganz schnell den Notarzt. Als dieser kam hing ich nur noch wimmernd über dem Waschbecken. Nach kurzem Check war klar, sofort in die Klinik. Endlich Schmerzmittel, die mich etwas durchatmen ließen. Und jeder Einzelne dieser Rettungstruppe ein Geschenk des Himmels. Im Klinikum Starnberg wurde ich dann bis Mitternacht immer wieder mit Ultraschall überwacht. Ein Gallenstein quält mich, den kannte ich schon aus der Türkei. Nach Stunden mit Schmerzen und Erbrechen ging der Stein ab, die Ärztin meinte der war die Ursache des Übels. Dann ging`s auf die Station.
Am nächsten Morgen hielten mich nur die Schmerzmittel am Leben. Der Stationsarzt stellte dann fest, dass mir gerade sechs weitere Gallensteine das Leben zur Hölle machen und es wurde sofort eine Not OP veranlasst.
Endlich keine Schmerzen mehr, allerdings erklärte mir die Chirurgin danach, dass es knapp war. Die Gallenblase kurz vor dem Platzen, dazu die vielen Steine. Erst jetzt wurde mir langsam bewußt, in welcher Gefahr ich geschwebt hatte.
Frühstück am zweiten Tag – kein Grandhotel hat besseres zu bieten
bei dieser Aussicht kann ich doch nur schnell gesund werden
Nach vier Tagen wollte ich raus, unser Umzug war für den 09. August geplant. Ich wollte endlich in unser neues „Dahoam“ und mobilisierte die letzten Kräfte.
Der Arzt entließ mich ungern, verstand aber unsere Situation. Allerdings nur, wenn ich zu weiteren Kontrollen einen Arzt vor Ort aufsuchen würde, das musste ich versprechen. Zuhause merkte ich, dass nix mehr von mir da ist. Keine Energie, immer noch Schmerzen, ein leichter Nabelbruch – von dem ich bis dahin nichts wusste – machte mir mit einer Entzündung das Leben auch nicht leichter.
Othmar war mein Halt und meine große Stütze in dieser Zeit. Täglich kam er mit dem Bus in die Klinik und baute mich auf. Die Katzen versorgte er liebevoll und das Katzenklo machte er auch sauber, das war sicher eine große Herausforderung. Da spürte ich es dann wieder „Liebe ist……“
Ich durfte nichts heben, nur delegieren. Mehr ging auch gar nicht. Othmar bereitete wirklich alles für den Umzug vor mit Staubsaugen, putzen und alles packen. Am 09. August stand dann Carola vor der Tür, um uns zu unterstützen. Als sie mich sah, sagte sie „so fährst Du aber wirklich nicht Auto“. Ich wollte es dennoch probieren (da sind wir Frauen halt stur) und da die Jungs mit dem Lastwagen aus Aschheim den gleichen Weg hatten, war das ein Sicherheitsnetz für mich. Doch ich schaffte es bis zur Haustür, dann war allerdings Schluss. Ich hatte meine letzten Kräfte gebündelt, nun sagte mein Körper klar und deutlich – Ruhe!
Die Kinder waren die größte Stütze an diesem Tag und haben alles ins Haus geschleppt. Eine letzte gemeinsame Brotzeit und dann mussten sie alle wieder los. Tausend Dank für Eure Hilfe und Euren Zuspruch, wir hätten das alleine nicht mehr geschafft.
erschöpft und glücklich erden wir uns mit dem neuen „Dahoam“ im Garten
Die folgende Woche verbringen wir mit Luft holen, einen Überblick verschaffen und alle zwei Tage zum Arzt zu gehen. Ein Landarzt ist eine Offenbarung, jeder kennt jeden. Früh um 8 Uhr eine familiäre Begrüßung, alle entspannt. Dr. Baustädter untersucht mich, liest den OP Bericht und wirkt wegen der Werte sehr besorgt. Ich lasse mich fallen in diese Fürsorglichkeit und vertraue ihm voll. Geduld ist allerdings im Moment so gar nicht meine Stärke, aber jetzt übernimmt mein Körper das Kommando.
Das Haus fühlt sich an wie eine tägliche Umarmung, das Gefühl ist unglaublich. Laufend entdecken wir neue Räume, im Garten viele liebevoll gepflegte Schuppen und Häuschen. Mein Wunsch ging in Erfüllung, ein Haus mit Seele und Geschichte hat uns gefunden.
Ich schlafe erst mal im Wohnzimmer auf meiner Matratze, so können sich auch die Katzen besser eingewöhnen. Jeden Tag wird es etwas gemütlicher, die ersten Kisten leeren sich. Dann die Lieferung von Othmars neuem Bett, das ist wie Weihnachten. Nach einer Woche der erste Spaziergang hier, doch weit geht es noch nicht. Ich fühle mich um Jahre gealtert, doch die Landschaft hier ist ein Seelenbalsam. Jede Fahrt zum Arzt oder zum schnellen Einkauf ist einzigartig, die Landschaft ist wie eine Modelleisenbahnkulisse. Unwirklich, beruhigend, faszinierend.
Unsere Vermieter sind so liebevoll und besorgt, unterstützen uns in dieser Situation wo sie nur können – Danke dafür, besser hätten wir es nicht haben können.
frisch aus dem Wald von unseren Vermietern „Conny und Sepp“
trotz Müdigkeit kann ich nicht widerstehen – meditatives Schwammerl putzen
und die nächsten Tage in der heißen Sonne am Balkon trocknen, der Winter kann kommen
Am 19. August schaffen wir es endlich, die Ummeldung bei unserer Gemeinde zu machen. Was für ein netter Empfang, alles in Ruhe und viel Austausch über unser Leben und im Gegenzug viele Informationen über unser neue Heimat.
alles noch etwas chaotisch
auch Othmar geht langsam die Kraft aus – er macht sich auch große Sorgen um mich
wie schön, wenn die ersten eigenen Sachen aus den Kisten kommen
jeden Tag ein bisserl besser
Um die Katzen mache ich mir Sorgen, die Hauptstraße ist nur ein paar Meter entfernt. Doch nach einigen Tagen fange ich an, sie wieder raus zu lassen. Ich bin in dieser Zeit immer dabei und merke, wie ich ruhiger werde und ihnen vertraue
Suse ist wie immer neugierig, aber auch vorsichtig
Möpl hat die Ruhe in sich
und zur Belohnung gibt`s was Leckeres
Recycling ist so ein Thema für sich. Bei uns türmen sich gerade die vielen Folien und Kartons. Also eine erste Fahrt zum Recyclinghof. Wenn wir dachten in Inning ist es schon kompliziert, erleben wir hier die absolute Steigerung. Es wird alles, und ich meine wirklich alles, getrennt. Die Krönung war bei der Bläschenfolie – bis zu einer Größe von A4 in den einen Container, über A4 in einen anderen. Die Leiterin dort supernett, aber auch sehr genau. Wir mussten fast alle Tüten aufmachen und haben uns durch unseren Abfall gewühlt. Kennen die hier nicht die vielen Dokumentationen über die Entsorgung des Abfalls? 90% werden verbrannt oder einfach über die Grenze beim Nachbarn abgeladen. Ich bin für Naturschutz, aber ich fühle mich als Bürger wirklich verarscht. Doch ich lebe hier und will es richtig machen.
bei unserer zweiten Fuhre wurden wir sehr gelobt, da war dann alles ordentlich getrennt
Eigentlich wollten wir die Eckbank behalten, die da war. Aber als wir unsere Ikea-Stühle aus der Türkei ausgepackt hatten, ging das gar nicht. Schnell noch den passenden Tisch bestellt und es sieht richtig luftig aus.
Unglaublich aber wahr – am 24. August war uns so kalt, dass Othmar in der Küche eingeheizt hat. Unsere „Türkenkörper“ haben die Umstellung auf deutsche Temperaturen noch nicht richtig realisiert und ließen uns wirklich frieren
ganz schnell war es kuschelig warm – ein Vorgeschmack auf den Winter
Nun vier Wochen nach meiner OP bin ich langsam zuversichtlich. Ich spüre wieder mehr Energie, aber von meiner alten Form bin ich noch weit entfernt. Doch positiv bleiben hilft dabei. Ich bin immer noch in Behandlung, nächste Woche wird ein Ultraschall der Karotis gemacht, es wurden auch schon Verkalkungen an der Aorta festgestellt. Vielleicht ist das die Chance, um einem Schlaganfall vorzubeugen. Ich lass mir meine Zuversicht nicht nehmen, alles wird gut. Meine größte Sorge war, in Deutschland krank zu werden. Zuviel an Berichten hatten wir gehört und gelesen. Doch das, was ich hier erleben durfte, widerspricht allem Gehörten. Jeder Arzt nimmt sich Zeit für mich, Termine gibt es umgehend. Und ich fühle mich ernst genommen und wirklich bestens betreut.
meine Hängematte steht – nun beginnt das meditative Leben mit schnurrender Suse auf meinem Bauch, wenn wir es mal schaffen ein Nachmittagsschläfchen zu machen
unser Relaxbereich – noch unfertig, die zwei Recamieren fehlen noch
mit Büroecke – noch etwas chaotisch
Wäscheleinen spannen zwischen den Bäumen geht hier gar nicht 🙂
nun haben wir – wie alle Nachbarn – eine „spießige Wäschespinne“ wie unsere Carola meinte und ich bin begeistert
Seit 22 Tagen sind wir nun in unserem neuen Dahoam, es fühlt sich richtig gut an. Ich empfinde es wirklich wie eine tägliche Umarmung, wahrscheinlich sind es die guten Seelen, die hier mal gelebt haben und uns nun gut tun.
Jeder Tag in der Türkei war ein herausforderndes Abenteuer, das wir nicht missen möchten. Doch hier stellt sich das Gefühl ein, endlich angekommen zu sein, in Ruhe alt werden zu dürfen. Doch noch sind wir davon ja weit entfernt 🙂