Mai – Nach Hause

Ich weiß nicht, wie wir die letzten Wochen durchgehalten haben. Es war ein funktionieren, nur nicht viel nachdenken, einfach machen. Nach und nach wurde das Haus leer und ich merkte wie sich unsere Seele auf den Weg machte.


alles was uns wichtig ist, wurde zerlegt


das Training für den Flug in den Taschen wurde jeden Tag besser


langsam liegen die Nerven blank

Am 5. Mai wurde unser Auto verkauft. Normal eine Sache von maximal einer Stunde beim Notar. Wir brauchen sechs Stunden und sind am Ende unserer Kräfte. Das Geld des Käufers geht auf ein Sperrkonto und muss beim Notar freigegeben werden. Leider hatten wir verschiedene türkische Banken, die sich nicht verheiraten ließen. Also zur Bank des Käufers und dort extra ein neues Konto eröffnen. Das alles unter Zeitdruck. Wir haben es dann wirklich geschafft, aber ich war kurz vor dem körperlichen Zusammenbruch.


17 Jahre warst Du unser treuer Begleiter

Die Zeit läuft immer schneller. Kisten packen, packen, packen. Meiner Katze Finnie geht  es schlecht, ich merke das immer sofort. Drei Tage war sie verschwunden, dann kam sie wieder. Aber es war keine Zeit mehr für einen Besuch beim Tierarzt. Nach einer guten Woche hat sich ihr Zustand rapide verschlechtert. Sermin war noch mit einer Freundin bei uns und sie haben verzweifelt versucht, am späten Nachmittag einen Tierarzt zu finden. Am nächsten Morgen mußten wir früh nach Muğla zur Ausländerbehörde, Sermin hat für uns dort gedolmetscht. Die Katze sollten wir früh zu ihr bringen, damit eine Nachbarin sie nach Marmaris zum Tierarzt schaffen kann.

Ich packte Finnie in ihre Transportbox und sie war über Nacht bei mir im Zimmer. An Schlaf war nicht zu denken, mein Gefühl sagte mir, daß sie das nicht übersteht. Meine Gedanken kreisten in einer Tour um den ausgetrockneten Boden im Garten, bei dem mir die Kraft fehlen würde, um ein Loch für sie zu graben. Um 4.30 Uhr noch ein leises Miau, so wie sie immer mit mir gesprochen hat. Um 7 Uhr fand ich den Mut, die Box zu öffnen. Friedlich und kalt lag sie da, mir fehlte die Kraft zu trauern. Ich konnte einfach nicht mehr.


Dreieinhalb Jahre durften wir zusammen verbringen und ich durfte Dich verwöhnen. Finnie wir sehen uns irgendwann wieder über dem Regenbogen, danke daß Du zu mir gekommen bist und mich mit deiner Zuneigung verwöhnt hast – Ruhe in Frieden

Es war 8 Uhr früh und wir mußten ja zur Behörde. Unser Nachbar Ömer kam gerade aus dem Haus und ich weinte mich bei ihm aus. Er kümmerte sich immer um die Katzen, wenn wir unterwegs waren. Mach Dir keine Sorgen sagte er, ich werde Finnie hier wo sie zuhause ist begraben. Danke von ganzem Herzen dafür.

In Muğla ging der Behördenkampf weiter. Othmar konnte abgemeldet werden, da er nur eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis hatte. Meine ist jedoch unbegrenzt und das geht dann nicht so einfach. Doch Unmögliches wird möglich gemacht. Die Sachbearbeiterin erkannte die Problematik, da wir eine Abmeldung brauchten, um die türkische Krankenversicherung zu kündigen. Sie händigte uns die entsprechenden Papiere aus und wünschte uns gute Reise.

Mit den Unterlagen zurück nach Marmaris und die Abmeldung bei der Versicherung beantragen, was auch geklappt hat.

Die Zeit dazwischen sehe ich nur noch im Nebel. Erstaunlich wie oft man über seine psychischen und physischen Grenzen gehen kann. Doch alles hat seinen Preis. Erst hatte sich Othmar seine Bandscheiben gezerrt, dann schaffte ich das in den letzten Tagen auch noch.

Am 13. Mai musste ich mit den Katzen zum Amtstierarzt für die Ausreisepapiere. Neue Regelung – nicht fünf, sondern drei Tage vor Abreise. Doch auch hier half der Tierarzt, wir durften am 13. Mai zur Untersuchung kommen, damit die Katzen für die letzten Tage bis zur Abreise in die Pension gebracht werden konnten. Dank Bine an meiner Seite bin ich nicht zusammengeklappt. Was bin ich froh, daß es sie gibt – danke dafür.

Am gleichen Tag sind wir zu unserer Freundin Fatma ins Gästehaus gleich bei uns im Dorf umgezogen, jetzt wurde es ernst. Woher wir die letzten Kräfte nahmen, ist mir heute immer noch ein Rätsel.

Am 14. Mai kam der Umzugswagen pünktlich auf die Minute. Nur ein Fahrer, der unser Hab und Gut samt 53 Umzugskarton alleine in den Wagen schleppte.


viel konnten wir nicht helfen mit unseren desolaten Bandscheiben


zeitgleich kam auch der Transporter unserer Bine, die die letzten Sache von uns übernahm


Othmar kann gar nicht zuschauen – ganz vorsichtig hilft er mit

Das Haus ist leer bis auf den Diwan, der unsere Freunde nun beglücken wird


surreal beschreibt mein Gefühl in dieser Zeit wohl am Besten


der erste Morgen bei unserer Fatma im Gästehaus, endlich langsam durchatmen


am Abend ein üppiges Abschiedsessen mit unseren Freunden bei Fatma

17. Mai – Nun heißt es Abschied nehmen.


es kann nur besser werden….


Danke Fatma für Deine liebevolle Fürsorge und Unterstützung

Um 9.30 Uhr holte uns Bine samt Gepäck ab. Nun ging es nach Marmaris, Möpl und Suse aus der Tierpension holen. Ich hatte Bauchweh und war übernervös. Sie ließen sich wirklich in die Taschen stecken und bekamen eine leichte Betäubung für die Reise. Ich hatte mich lange gesträubt, aber ich Nervenbündel hätte meinen Fellnasen nichts gutes getan. Auf der Fahrt zum Flughafen versuchten sie immer wieder, aus der Tasche zu entkommen. Das Netz war die Schwachstelle, doch es hielt. Dazwischen gab es Rescue-Tropfen (auch für mich).

Ankunft Dalaman-Flughafen – mein schlimmster Albtraum wurde wahr. Beim ersten Securitycheck hieß es „die Katzen müssen aus den Taschen“, da die Taschen separat durchleuchtet werden müssten. Ich stand da, die Tränen liefen, hinter mir die Schlange der Urlauber. Ich kämpfte wie eine Löwin, da schickten sie mich zur Polis mit den Katzen. Der Beamte war echt entspannt, ich glaub er konnte meine Tränen gar nicht sehen. Er ging mit zur Security und die Katzen durften in den Taschen bleiben. Der Gepäck Check-in war dafür eher entspannt.

Von Bine mussten wir uns vor der Passkontrolle verabschieden, aber sie blieb in der Nähe. Das war gut so. Denn Othmar bekam Probleme, da die Behörde vom Ausländeramt und der Fremdenpolizei wohl nicht zusammenarbeiten. Bei der Passkontrolle ging es um seine Abmeldung von voriger Woche. Diese wurde vom „System“  automatisch zum 1.1.2025 zurückgesetzt. Dort war Othmar jetzt seit 1. April illegal in der Türkei gemeldet! Wir hatten zwar die aktuellen Unterlagen vom Ausländeramt dabei, aber das System sprach eine andere Sprache. Fazit: Entweder für die überzogenen Tage eine Strafe in Höhe von TL 9.000,– (€ 200,–) bezahlen oder beim nächsten Besuch in der Türkei die angefallenen Zinsen zusätzlich zahlen. Oder – er kommt nie wieder! Othmar hat sich wutentbrannt für diese Variante entschieden. Unsere Bine hat von der anderen Seite alles versucht, um den Beamten gnädig zu stimmen, leider ohne Erfolg, denn das System hat immer Recht.

Die letzte Hürde – noch ein Security Check. Diesmal war die Mitarbeiterin erbarmungslos – die Katzen müssen raus aus der Tasche, sonst muss ich hier bleiben. Mein erster Gedanke – ich bringe sie um. Aber die türkischen Gefängnisse sind nicht so empfehlenswert. Also tief Luft holen und durchstehen. Erst Suse, die rührte sich echt nicht und blieb wie versteinert in meiner Umarmung. Das Gleiche dann mit Möpl. Was war ich stolz auf meine Fellnasen. Da die Zeit bis zum Abflug echt knapp wurde, sind wir fast zum Boarding gerannt. Für mich war klar, wir sind die Ersten die ins Flugzeug steigen. An der Schlange vorbei, kurz zu der Menschenmasse umgedreht und einfach nur gesagt: Wir müssen bitte als erste rein, da wir zwei Katzen haben. Soviel Verständnis war ein Seelenbalsam nach dieser Prozedur.

Endlich im Flieger, Reihe vier nur für uns da wir einen zusätzlichen Sitz gebucht hatten. Wir haben es wirklich geschafft und kamen drei Stunden später in München an.


so sieht also die Rückkehr nach bald zwanig Jahren aus

Unser Stefan hat uns mit dem ganzen Gepäck abgeholt und nach Inning gebracht. Dort waren auch unsere Freunde, die uns schon erwarteten. Danke für diesen herzlichen Empfang.


Erschöpft aber glücklich, die Augen fielen mir allerdings zu


Suse blickt neugierig aus dem neuen vorübergehenden Zuhause

Am nächsten Tag Besuch von den Kindern samt Enkel
mit einem ersten Spaziergang am Ammersee


Luca ist glücklich mit seinem Opa

Am 21. Mai dann gemütlich mit Bus und S-Bahn zum Bürgerbüro zur Anmeldung. Nach über einer Stunde mit einem uns sehr zugetanen kompetenten Sachbearbeiter war alles beantragt.


es fühlt sich an, als ob wir nie weg gewesen wären

Und um unsere Freiheit zurückzuerobern, haben wir am 28. Mai noch einen gebrauchten Skoda gekauft. Unsere Carola hat uns begleitet und Fahrdienst nach Lauingen gemacht.


Unser Skoda citygo – klein aber mit allem ausgestattet was nötig ist

Nächste Woche zur Zulassungsstelle und den restlichen Bürokratenkram erledigen. Und schon sind wir wieder startklar für`s nächste Abenteuer.

Es fühlt sich einfach nur gut an wieder hier zu sein. Das Wetter ist unglaublich, kühl mit sonnigen Abschnitten. Unser Phil kam extra aus Nürnberg auf Besuch, um uns willkommen zu heißen. Erstaunt bemerkte er: „Conny, daß du mal dieses Wetter genießt, hätte ich nie gedacht“. Mir bestätigt es wieder mal – sag niemals nie. Und so gehen wir nun Schritt für Schritt in den nächsten Lebensabschnitt und freuen uns einfach nur darauf.

 

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