November – Der Weg ist das Ziel

Das Leben fordert. Kaum zurück aus Deutschland kämpft diesmal Othmar mit einer heftigen Bronchitis. Das ist normal mein Part nach der Entgiftung, doch diesmal wurde ich verschont. Mir fehlt nur die Energie, doch das wird sich wieder geben.

Die Temperaturen noch zwischen 15 bis 22 Grad, doch am 6. November haben wir für einen kuscheligen Abend die Heizperiode mit Holz gestartet. Am 15. dann wirklich Regen für zwei Tage. Das war`s dann allerdings erst mal wieder.

Die Bronchitis hat Othmar fest im Griff, schlafen geht nur noch im Sitzen. Ein Check in der Klinik bestätigt die Entzündung. Also wieder mal Antibiotikum und hoffen.

Dazwischen ein unangemeldeter Besuch von unserem Vermieter samt zwei Kindern. Sie streichen das Haus außen, das erste Mal nach zehn Jahren. Wir schütteln nur den Kopf. Glücklich erzählt er uns von der guten deutschen Farbe, doch auf die Frage, ob er das Flachdach auch streicht schaut er mich nur verständnislos an. Oben ist die Problemzone, da kommt das Wasser rein! Doch hier trifft wieder deutsche auf türkische Mentalität und so honorieren wir einfach den guten Willen.


es hat sich noch nicht rumgesprochen, dass ein Abdecken mit Plane hilfreich ist


auch hier bleibt anschließend alles kreuz und quer stehen

Dazwischen auch mal gute Nachrichten. Wir haben es entgegen vieler anderslautender Meinungen geschafft, einen Familienaufenthalt für zwei Jahre zu bekommen. Das verschafft erst mal Luft für weitere Pläne.

Das Universum war anscheinend der Meinung, dass wir aus dieser stagnierenden Zeit (die Suche nach einem neuen Zuhause in Deutschland ist frustrierend) endlich raus müssen. Othmar hat in Pirmasens ein Häuschen zur Miete entdeckt, das erst mal viele unserer Vorstellungen erfüllte. Wir schafften es vorab, uns mit der Vermieterin in Verbindung zu setzen und haben endlich mal wieder etwas total Verrücktes gemacht. Einen Flug vom 22. bis 25.11. nach Frankfurt gebucht für einen Besichtigungstermin.

Die Bronchitis ließen wir vorab nochmal checken, doch die Entzündungswerte waren soweit gut. Am 23.11. holte uns unsere Herzensfreundin Bine früh um 3.30 Uhr ab und brachte uns zum Bus nach Marmaris. 13 Stunden später waren wir endlich in unserer Unterkunft in Pirmasens. Dazwischen ewige Fußwege im entsetzlichen Frankfurter Flughafen, Abholung eines Audi A3 (kleiner ging es wohl nicht), Anfreundung mit Automatik und am Schlimmsten mit der Hightech innen. Nix mehr Autoschlüssel, nur noch Knopfdruck ist in. Auf der zweistündigen Fahrt dann Schneetreiben und eisige Temperaturen. Doch mit solch einer Luxuskarre macht es trotz widriger Umstände Spaß Auto zu fahren. Den Rest gab uns allerdings dann Pirmasens auf den letzten Metern. Straßenschilder waren vom Schnee verdeckt, der Ort nur mit Einbahnstraßen gespickt, wir echt am Ende unserer Kräfte.

Doch aufgeben geht gar nicht und wir haben unsere Unterkunft wirklich gefunden. Da Urlaub für uns ja ein Fremdwort ist, hatten wir eine fantastische Unterkunft gebucht.


ein Künstlerhaus mit vielen geschmackvollen Details, einfach nur zum Wohlfühlen


bei 4 kg Handgepäck konnten wir diesen begehbaren Kleiderschrank nicht füllen

Leider mußten wir nochmal raus, der Magen knurrte nur so. Klar war, daß ich keinen Meter mehr in diesem Schneetreiben fahre. Also zu Fuß zu einem Italiener, eisig schneidender Wind im Gesicht und die Frage, wollen wir wirklich wieder so leben? Doch das Essen und ein Glas Wein haben uns mit allem versöhnt.

Am nächsten Tag zur Hausbesichtigung. Die Gegend war wunderschön, aber…….


wir haben nur Arbeit gesehen


so sahen die angepriesenen Schuppen aus


das Haus innen eisig trotz Holzofen (frieren kann ich auch in der Türkei)


und nein, es hat so gar nicht gepasst

Somit hatten wir Gelegenheit viel miteinander zu besprechen und stellten fest, daß wir uns nach 31 Jahren bei solchen Abenteuern immer noch einig sind. Es war notwendig, diese Erfahrung zu machen, um eine neue Sichtweise zu bekommen. Wir fühlten uns nach langer Zeit wieder lebendig – trotz angeschlagener Gesundheit.

Also gönnten wird uns nach dieser Erfahrung wenigstens ein paar Stunden Urlaub. Es gibt hier eine wunderbare Jugendherberge in der man super Frühstücken kann und am Abend auch ein Schnitzel bekommt. Und Spaß mit Leuten haben kann. Wir haben die Besuche dort genossen.


der gemütliche Eingangsbereich

Am Sonntag machten wir dann Pirmasens unsicher. Dazwischen immer wieder zurück in unsere gemütliche Unterkunft, um auszuruhen. Pirmasens ist ein kleines verschlafenes Städtchen, das alles bietet was man braucht. Allerdings auch hier nur eine belebte Ecke mit Geschäften, als Gegensatz dann die vielen kleinen Läden, die geschlossen sind oder zur Vermietung angeboten werden. Es war traurig, das so zu erleben, doch die Zeiten sind schwierig.


24 Stunden vorher eisiger Wind und Schnee

Von Bine erfuhren wir, daß es in der Türkei einen Temperatursturz von 11 Grad gegeben hat und wir uns auf eisige Kälte einstellen müssen.


was für tolle Ideen hier, ein offenes Bücherdepot zum Füllen und Entnehmen

Der Besuch an der Felsentreppe/Vogeltreppe mit 50 verschiedenen Mosaik-Vogelarten war wirklich unglaublich beeindruckend. Wir hatten vorher eine Doku darüber gesehen.

Die Mosaik-Künstlerin Isidora Paz-Lozez machte ein Kunstwerk daraus und besetzte die Vogeltreppe mit tausenden von Mosaiksteinchen. Über 100 Mosaikkünstler aus aller Welt haben sich mit einem eigenen Mosaikbeitrag in Form eines Vogels beteiligt. 70 qm groß ist das Mosaik und 15 Monate lang hat die Künsterlin daran gearbeitet, bis es endlich im Dezember 2019 eröffnet werden konnte.


es gibt immer noch soviel Schönes zu entdecken


wir waren beeindruckt


und durften das alles im strahlenden Sonnenschein erleben

Den Abend verbrachten wir bei einem Vietnamesen bei lecker gebratener Ente, Wein und Pils. Was für ein schöner Abschluß nach diesem verrückten Abenteuer.

Die Rückreise war dann leider wieder genauso anstrengend – 13 Stunden sind einfach zuviel. Unsere treu sorgende Bine stand früh um 1 Uhr am Busbahnhof in Marmaris und hat uns nach Hause gebracht. Das Haus war auf 10,5 Grad innen abgekühlt. Doch so erschöpft wie wir waren, sind wir nur noch in einen Tiefschlaf gefallen.

Wir haben viel über uns gelernt auf dieser Reise. Auch daß wir erst mal einen Zwischenstopp in Deutschland für die weitere Suche nach einem dauerhaften Zuhause machen müssen. Denn nochmal 3000 km einfach für eine Besichtigung zu reisen, machen wir kein zweites Mal. Man ist ja lernfähig :-).

Nun ist erst mal unser Druck weg und wir sehen klarer in die Zukunft. Es wird sich sicher in den nächsten Monaten etwas für uns verändern, doch wohin letztlich die Reise geht, wird sich noch zeigen.

 

 

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