Juni – Runterfahren

Langsam kommen wir wieder etwas zur Ruhe. Die letzten großen Hürden haben wir erst mal überwunden, nun wird durchgeatmet. Der Sommer kommt mit großen Schritten, heuer vier Wochen zu früh. Schon anfang des Monats hatten wir Temperaturen zwischen 37-40 Grad. Da der Temperaturwechsel hier immer sehr schnell geht, müssen wir uns ranhalten. Am 05. Juni haben wir unseren neuen Pool aufgestellt. Leider ist er ca. 10 cm niedriger als der Alte. Es verändert sich halt einiges in neun Jahren. Wie ausgleichen? Einfach mehr Wasser rein und schon passt es wieder. Not macht wie immer erfinderisch.


dazu die neue Sonnenbeschattung, die den sanften Wind durch lässt

Wir sind bereit, die Hitze kann kommen. Noch schnell ein dringend notwendiger  Hausputz, denn mit jedem Tag, der heißer wird, werde ich langsamer.

Am 12.06. kam dann die erste heftige Hitzewelle aus Afrika. Unser Haus ist die reinste Backstube, in der Küche fast permanent 34 Grad. Jede unnötige Bewegung wird reduziert, kochen fast ein Ding der Unmöglichkeit. Am 16.06. begann dann Kurban Bayramı (das 4-tägige Opferfest). In dieser Zeit vermeiden wir es normalerweise, das Dorf zu verlassen, da die ganze Türkei auf den Beinen bzw. auf den Rädern ist und Familienbesuche im ganzen Land gemacht werden.

Leider macht unser Internet Probleme und wir mußten während dieser Feiertage nach Marmaris. Auf dem Weg dorthin Autokolonnen und in der Stadt Menschenmassen. Das mußten wir in den 18 Jahren zum ersten Mal so erleben und hoffentlich auch zum letzten Mal. Freiwillig sollte man sich das nicht antun. Dazu die afrikanische Hitze, die uns den Atem raubte. Nur schnell wieder raus aus der Stadt – das war zumindest der Wunsch. Unseren mittlerweile 27-jährigen Twingo hatten wir auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz abgestellt, da es wirklich keine Lücke für uns gab. Für den Heimweg schlängelten wir uns dann langsam auf die Hauptstraße. Die Luft war gefüllt mit heftigem Benzingestank, wer wohl der Verursacher ist? Unser nächster Halt war beim Baumarkt Koçtaş, da wollten wir noch einen Kleber für den Pool bestellen (die ersten Katzen haben leider schon ihre Krallen am aufblasbaren Rand getestet). Als wir anschließend ins Auto stiegen, hatten wir wieder diese heftigen Dämpfe in der Nase. Nun suchten wir genauer und stellten mit Entsetzen fest, daß unser Auto Benzin verliert. Eine große Pfütze hatte sich schon gebildet und das bei über 40°. Über kleine Gassen sind wir vorsichtig in die Sanayi (Werkstattviertel) gefahren. Doch es sind ja Feiertage und die meisten Werkstätten hatten geschlossen. Eine Notfallwerkstatt haben wir gefunden und um Hilfe gebeten. Der Besitzer bewegte sich im Zeitlupentempo und hat sich erst mal eine Zigarette angezündet. Mir blieb die Luft weg und irgendwann hat er wohl auch begriffen, daß wir hier jeden Moment in die Luft fliegen können. Endlich hat er mit dem Wasserschlauch die Benzinmengen weggespritzt. Letztendlich war es nur ein Loch im Benzinschlauch, das er vulkanisieren konnte. Nach einer halben Stunde war alles wieder in Ordnung und wir zwar fix und fertig aber glücklich. Und das für TL 500,– (€ 15,–) an einem Feiertag.


Othmar blickte kritisch und ließ ihn nicht aus den Augen


Erholung gab es dann die nächsten Tage zuhause

Der Bambusteppich unter meinem Schreibtischstuhl war nach vielen Jahren am Ende. Jeden Tag löste sich das Material mehr auf. Genug ist genug. Bei Ikea habe ich eine neue Spezialunterlage bestellt. Das hat schnell geklappt. Entsetzt war ich allerdings über die vielen Meter an Bläschenfolie für die Verpackung eines unzerbrechlichen Kunststoffteils. Wie war das noch mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz lieber Ikea?


das alles für eine Unterlage von 120 x 100 cm

Ich liebe unseren Twingo – jetzt gibt es in unserem Dorf noch diesen Sportlichen, allerdings fünfzehn Jahre jünger. Fühlt sich an wie ein Familientreff am Pazar so Seite an Seite.

Zum Schwimmen kommen wir leider nicht so oft, bei dieser Hitze ins Auto steigen und extra dafür zum Meer fahren, machen wir nicht. Das Wasser in nächster Nähe ist von miserabler Qualität, da geht man freiwillig nicht rein.

Also Treff mit Freunden in Delikyol an unserem Stammplatz. Immer glasklares Wasser, es tut so gut. Allerdings fällt auf, dass sehr wenig Gäste da sind. Die heftige Inflation macht sich zum ersten Mal richtig bemerkbar. Während der Feiertage wurden wohl z.B. in Selimiye pro Übernachtung schon mal TL 15.000,– (ca. € 430,–) verlangt und auch bezahlt. Die Tage waren ausgebucht. Allerdings ist jetzt der Run vorbei und die Gäste bleiben immer mehr aus. Wo führt das alles hin?
Doch davon ließen wir uns nicht depremieren sondern genossen die Zeit im Meer mit anschließendem Frühstück und viel Ratscherei.

Am frühen Nachmittag wollten wir dann wieder los. Doch der Motor sprang nicht an. Ein kurzes Geräusch und aus war es. Wieder Benzingeruch! Alles von vorne – Benzin spritzt raus sobald ich versuchte den Motor zu starten. Doch diesmal vorne im Motor! Aber wie so oft Glück im Unglück. Unsere Freunde waren noch da, organisierten nach langem hin und her einen Abschleppwagen von und nach Marmaris und brachten uns direkt nach Hause. Der Transport unseres Sorgenkindes kostete allerdings nur TL 2000,- (keine € 60,- für 36 km einfache Strecke!). Man muss es einfach positiv sehen, ansonsten dreht man durch.

Zwei Tage später holten wir unseren Twingo bei Osman in der Werkstatt wieder ab. Es war nur ein abgelöster Schlauch, der diesen erneuten  Benzin-Wahnsinn verursacht hat. Allerdings ist zur Reparatur ein Spezialwerkzeug nötig. Unser Osman leidet mittlerweile wirklich mit uns und macht was er kann.

Ein Spaziergang bevor die Sonne über den Berg steigt. Die alten Knochen danken es uns. Spannend immer wieder, die vielen Neubauten zu begutachten. Dieses Haus wurde wirklich direkt an den Straßenrand gebaut, vorne gerade ein Meter Platz. Wehe dem, der zu nah an den Mauerrand kommt. Gefühlt macht jeder was er will, wo er will und wie er will. Deutsches Denken ist absolut fehl am Platz, es ist hier vieles nicht zu begreifen.


und schon ist auch der Carport und die Terrasse fertig – ohne Worte

Bei meiner Putzaktion ist das Rigg von unserem Sampan aus Vietnam zusammengefallen. Die originalen Schnüre hatten sich nach bald 25 Jahren aufgelöst. Othmar hat es in stundenlanger Meditationsarbeit wirklich geschafft, das Boot neu aufzutakeln. Wo nimmt er nur diese Ruhe her – ich beneide ihn darum.


hochkonzentriert arbeitet er sich mit neuer Segelschnur durch das Gewirr

Mein Ruhepol sind die Katzen. Die genießen ihren Lieblingsplatz auf dem Auto und hoffen ebenso wie wir, daß wir in nächster Zeit vor weiteren Katastrophen erst mal verschont werden.

Die Hitze raubt uns sämtlich Energie und wir haben noch mindestens zwei Monate ohne einen Tropfen Regen vor uns. Zeit sich selbst herunterzufahren und ungute Gedanken zurückzustellen. In der Ruhe liegt die Kraft – nun meine täglich Übung.

 

 

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