Februar – Achterbahn

Ich habe das Gefühl, alles und jeder spielt langsam verrückt. Der Februar begann mit einer Schocktherapie. Unser Vermieter kam mit seinem Vater und der Motorsäge. Wir hielten uns erst mal zurück und harrten der Dinge, die da kommen. Nach unserem letzten negativen Gespräch im Oktober bezüglich einer Verlängerung unseres Mietverhältnisses, hatten wir einfach keine Lust rauszugehen. So sahen wir mit Entsetzen, wie unsere über die vielen Jahre mühsam hochgezogenen Pflanzen zur Strassenseite der Säge zum Opfer fielen. Weg war der Sichtschutz. Dafür wurden willkürlich einfach neue Bäume eingepflanzt. Für mich ein Gefühl der Vergewaltigung, die mir die Luft zum Atmen nahm. Am Abend sind wir durch den Garten – sprachlos, entsetzt. Der nächste Morgen bescherte einen weiteren Vermieter-Besuch. Diesmal war der riesengroße Maulbeerbaum am Eingang fällig, da dessen Krone die Telefonleitung störte. Auch er fiel der Kettensäge ganz schnell zum Opfer. Mit gerade noch 1,50 m Höhe steht er nun massakriert vor der Tür. Diese Aktion machten wir allerdings mit unserem Vermieter zusammen, da er uns ganz herzlich dazu gebeten hat. Es schien ihm keinen Spass zu machen, doch noch hat sein Vater das Sagen. So war es nun leichter zu ertragen und wir schufteten gemeinsam lange Stunden, um das gefällte Holz von der Straße zu räumen. Mein Gefühlschaos hatte sich gelegt und uns wurde wieder mal bewußt, wie unterschiedlich unsere Kulturen doch sind.


alles vernichtet


auch hier wieder ein freier Blick

Das alles drängte uns, nun doch mal intensiver nach einem neuen Zuhause zu schauen.

Der erste Termin war mit einem Makler in Bozburun für ein freistehendes Häuschen. Ganze zwei Stunden ließ er uns warten. Dann ging er erst mal auf Suche, wo das Objekt überhaupt sein könnte. Wir liefen durch Müll und einem Weg, der eigentlich keiner war. Der dortige Besitzer machte dem Makler sofort klar, dass es keinen Zuweg zu dem Haus gibt, da dies sein Grundstück sei. Da fühlt man sich doch wirklich herzlich Willkommen. Ungeachtet dessen, dass das Haus nicht passte, waren wir froh, als wir uns von diesem arroganten Makler wieder trennen konnten. Das Ganze war nur mit Hilfe unserer Freundin Bine zu überstehen, die uns hilfreich beim Übersetzen zur Seite stand – tausend Dank dafür.

Die nächsten beiden Objekte waren in Turgut. Diesmal ohne Makler für den ersten Eindruck – dank Google-Map waren die Häuser auch so gut zu finden. Ein Objekt war ganz nett, allerdings standen noch drei weitere Häuser mit auf dem Grundstück. Und gleich dahinter eine richtige Eukalyptusallee, die fast keinen Sonnenstrahl durchließ. So nicht!
Das andere Häuschen war ein einfaches Prefabrik-Evi (günstiges Fertighaus). Dieses hatte zumindest einen Zaun um den kleinen Garten. Allerdings ist die viel befahrene Hauptstraße Richtung Bozburun gleich in nächster Nähe, ebenfalls ein K.o.-Kriterium.

Gute Freunde helfen sich. Dieses Häuschen in Söğüt konnten wir durch Vermittlung unserer Freunde besichtigen. Allerdings gibt`s auch da keinen vernünftigen Zuweg und das Bauchgefühl war klar – dieses wird es auch nicht.


trotzdem spannend, was alles so zur Miete angeboten wird


für mich jetzt nicht unbedingt ein Raum, in dem ich schlafen möchte

Fazit für uns – es gibt sehr wohl Objekte zur Miete (auch wenn die Mieten teilweise unverhältnismäßig hoch sind). Doch den richtigen Platz zu finden wird sicher eine große Herausforderung.

Zur Erholung haben wir dann in Söğüt unsere Reni und Yüki auf einen Kaffee, zum Luft holen und Dampf ablassen besucht.


die Mandelblüte heuer viel zu früh


die Natur explodiert

Achtzehn Jahre sind wir jetzt hier, doch so einen Winter – der eigentlich keiner war – hatten wir noch nie erlebt. Ich empfinde es als Wüstenklima. Nachts gerade 3-4 Grad, tagsüber dafür viel Sonne und bis 20 Grad. Die ersten Schildkröten sind schon auf der Straße unterwegs – und das im Februar.

Ein Spaziergang durch Orhaniye, Luft holen, Gedanken schweifen lassen. Begrüßung vom Ziegenbock und dann zu Freunden auf einen Kaffee in den Garten.

Ich wundere mich seit einiger Zeit, dass wieder so viele Autos bei uns vor der Haustür von oben vorbeikommen. Die Straße wurde doch dicht gemacht. Also die Neugier befriedigen und mal hoch zur Sackgasse, die ja nur ein paar Meter von uns weg ist.


Hier ist also des Rätsels Lösung. Links verlief die alte inoffizielle Straße, die zugebaut wurde mit Steinmauer. Nun also eine neue inofizielle Straße mit Brücke, die den vielen Lastwägen mit Beton und Baumaterialien die Zufahrt zu den meist ungenehmigten Neubauten ermöglicht. Ich finde gerade nicht das Loch, in dem ich mich nur noch verkriechen möchte.


Dafür freue ich mich an Oskar und Finnie, die sich bestens vertragen und die Schlafplätze permanent austauschen. Oskar ist ein begeisterter „Kartonrupfer“ – da muss ganz schnell immer eine neue her.


Unsere Reni schickte uns dieses Foto mit dem Text „Inflation“ als sie mit Yüki beim Einkaufen war. Das beschreibt es wirklich bestens, und wenn es nicht so angsteinflösend wäre, könnte ich sogar lachen.

Es bleibt spannend, ich habe meine Panikphasen erst mal hinter mir und bin nun einfach neugierig, was das Universum für uns bereit hält. Mein Gefühl sagt mir ganz klar, es steht eine große Veränderung an.

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