November – Kraftakt

Es wird wieder anstrengend. Die Temperaturen bewegen sich nun zwischen früh 14 Grad im Haus bis tagsüber über 20 Grad in herrlichem Sonnenschein im Garten. Also ist erst mal meditatives Heizen angesagt. Ich liebe diese Zeit nach dem Aufstehen. Einfach vor dem Ofen sitzen und zusehen, wie sich langsam die Flammen durch das Holz arbeiten. Die Gedanken kreisen lassen und versuchen zur Ruhe zu kommen.

Mittlerweile ist es klar geworden – Corona wird weiterhin unser Leben bestimmen. Mein Leben lang habe ich für meine Freiheit kämpfen müssen, jetzt wird sie einfach von der Politik beschnitten. Es gibt keine anderen Todesarten mehr außer Covid-19. Alles dreht sich nur noch um das Virus. Ich empfinde es als Kraftakt, damit umzugehen. Zu versuchen, sich von den täglich neuen Infizierten-Zahlen zu distanzieren, dem erhobenen Zeigefinger der Regierenden zu entgehen. Und doch sich immer wieder an den positiven Dingen zu erfreuen, die sich bieten. Seit dem 21. November dürfen in der Türkei die über 65-jährigen täglich nur noch von 10-13 Uhr raus. Jugendliche unter 20 nur von 13-16 Uhr. Ich mag über die seelischen Auswirkungen gar nicht nachdenken, über die häusliche Gewalt, über die gepeinigten Kinderseelen, die dies einfach nicht verstehen können/wollen. Meine Nachbarin macht im Garten mit ihrer achtjährigen Tochter „Home Schooling“. Sie leben hier sehr einfach und ein PC ist finanziell nicht drin. Die Mutter am Ende ihrer Nerven, die Tochter weinend. Da zerreisst es mir echt das Herz. Diese Situation konnte ich wenigstens einmal entschärfen –  mit einem Stück Kuchen und einer kuscheligen Schildkröte als neuen Freund zum Lernen. Das Strahlen in den Gesichtern der Beiden war einfach nur wunderbar. Doch was ist mit dem Rest der Welt?

Nun zu unserem doch noch existierenden kleinen Alltag. Unser Mogli hatte schon längere Zeit einen Wackelzahn. Das ist auf Dauer gar nicht gut. Schweren Herzens wurde eine Zahn-OP beim Veterinär beschlossen. Dank Freundin Elena bekam er eine Woche vor dem Eingriff das Langzeit-Antibiotikum von ihr bei uns zuhause gespritzt.

Am 05. November war es dann soweit. Beide Reißzähne wurden gezogen und hier liegt er nun erschöpft mit seinen Narkoseauswirkungen vor dem bullernden Ofen.


Die erste Nacht hab ich bei ihm gewacht, er hat über zwei Tage gebraucht, bevor er wieder richtig lebendig wurde.


Suse wachte ebenfalls über ihn – allerdings auf ihre Art


mittlerweile ist alles vergessen und er ist immer noch der „wunderschönste Kater“

Was macht man gegen die Corona-Depri? Ich entschied mich für ein paar neue Schuhe, die so richtig zu mir passen und hier sogar bezahlbar sind.

Einladung zum Essen bei unserem Herbert und vorher ein Spaziergang durch seinen Kürbiswald.

Ich denke immer, ich bin die Ruhe in Person. Aber das stimmt so ganz und gar nicht. Wenn ich gemütlich im Garten auf den einfachen Regiestühlen die Sonne tanken will, wackelt mein Kopf wieder im Sitzen. Das sind die ewigen Nachwirkungen meiner Amalgamvergiftung.


Deshalb habe ich nun einen super Klappstuhl mit Kopfstütze und nix wackelt mehr

Marmaris-Tour – Bank, Einkaufen, Post, neuer Antrag für den Aufenthalt hier. Doch dazwischen musste ich innehalten bei diesem Anblick:


eine Zeitreise in die Vergangenheit – was für ein tolles Gefährt

Und bei Carrefour gab es doch wirklich wieder mal –


– den unvermeidlichen Weihnachtsbaum der hier in diesem Land so passend ist

Ende November blüht es ohne Ende. Leider fehlt immer noch der Regen und die Orangen gleichen heuer eher kleinen Tennisbällen.


Blick vom Wohnzimmer – ein täglicher Seelenbalsam


hier noch ein Neuzugang „Maracuja“ von unserer Leslie

Trotz allem bleibt die Spannung erhalten, wie es wohl weiter geht? Ich werde in jedem Fall an meiner positiven Sicht der Dinge festhalten, auch wenn es mich zwischendurch mal runterzieht.

29.11. – Gerade habe ich mit meinem zweijährigen Enkel über Whatsapp gesprochen – er sieht mich und sagt das erste Mal spontan „Hallo Oma“. Jetzt sitz ich hier mit feuchten Augen und könnte vor lauter Freude die ganze Welt umarmen. Das sind die großen Dinge des Lebens, die eine Pandemie auf einmal ganz klein erscheinen lassen. Danke dafür …

 

 

 

 

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