März – Umbruch

Die Welt verändert sich in rasantem Tempo. Soviel Angst, soviel Unsichterheit. Egal mit wem ich spreche, viele fühlen ähnlich. Es ist eine Zeit des Umbruchs, alles was vermeintlich sicher war ändert sich ganz schnell. Die größte Anstrengung ist es, selbst nicht auf der Strecke zu bleiben. Ein Leben mit Angst ist kein Leben, es macht einfach nur krank. Also zurück zur Selbstbesinnung, was tut mir gut, was schadet mir. Ich bin glücklich hier am Dorf zu leben, weit weg vom Stress der Großstadt. Doch auch hier bleiben wir nicht verschont. Die Mietpreise gehen durch die Decke, das macht mir wirklich Angst. Noch läuft unser Vertrag eineinhalb Jahre, wir werden sehen wie es weitergeht. Eigentlich träumten wir von einem kleinen Grundstück, das man mieten kann. Ein kleines Fertighäuschen drauf oder Module. Die schießen hier gerade wie die Pilze aus der Erde. Es gibt keinen Fleck, an dem das im Moment nicht so ist. Doch die Mietpreise – ob für Häuser oder Grundstücke – explodieren überall. Nun hoffen wir, einfach hier noch eine Weile bleiben zu können. Wenn ja, wird einiges renoviert und auch gedämmt. Natürlich auf unsere Kosten, die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Und bisher hatten wir wirklich tolle Vermieter. Mein größter Wunsch ist anzukommen, zu wissen wo wir bleiben können. Doch ein Blick in diese Welt sagt mir, das ist reines Wunschdenken. Also lassen wir der Realität ihren Lauf und schauen, was das Universum für uns noch bereit hält.

Die Temperaturen sind traumhaft, es fühlt sich einfach nur nach Frühling an. Nachts so 13 Grad, tagsüber bis 20 Grad sind ein echter Wahnsinn.

Ich muss was verändern, egal was kommt. Selbst kleine Dinge lassen mein Herz höher schlagen. Unsere Metallgriffe an den Küchenschubladen haben mich schon lange genervt. Weg mit den – durch die salzige Luft – angerosteten Griffen. In Marmaris habe ich Holzgriffe gefunden. Es sieht gleich ganz anders aus und beim Putzen reiß ich mir nicht mehr die Hände auf.


da kann ich mich wirklich jeden Tag freuen

Leider gab es nur noch elf Stück für unten. Die oberen Griffe habe ich von meinem Ikea-Kleiderschrank abgeschraubt und einfach für die Hängeschränke verwendet.


ich liebe es zu improvisieren – Not macht einfach erfinderisch

Da meine Freundin Bine nach Deutschland musste, habe ich mir als Ersatz ihre Nähmaschine ausgeliehen. Endlich konnte ich die vielen Kissenbezüge von den 80×80 cm (ein Maß aus Großmutter`s Zeiten) nun alle kleiner und vor allem passend nähen.


wenn man es einmal gelernt hat, vergißt man es nie wieder und Spaß macht es auch noch

Besorgungen in Marmaris sind ab und zu notwendig. Wenn der Besorgungszettel nicht zu lange ist, bleibt auch Zeit mit offenen Augen durch den Bazar zu gehen. Gleich neben dem Postamt steht dieses Gebäude und wird noch bewohnt.


Warum nur wundert es mich nicht, daß bei einem Erdbeben hier soviel einstürzt?

Überall sieht man jetzt neue Futterautomaten. Wer hier Altglas oder Plastikflaschen einwirft, belohnt die Straßentiere. Denn unten wird die Schale dann mit Trockenfutter aufgefüllt.


allerdings wusste ich nicht, daß auch unsere Dorfhühner ganz wild darauf sind

Othmar`s Radiator hat wieder mal den Geist aufgegeben. Der ist aber überlebenswichtig im Büro, sonst erfriert er mir. Dank Whatsapp kam ich mit Bine (die ja gerade in Deutschland ist) ins Gespräch und die hat uns nach Selimiye zu ihrem Haus geschickt, denn dort steht noch ein unbenützter Infrarotstrahler im Gästezimmer. Also rein ins Auto und bei strahlendem Sonnenschein und herrlich warmen Temperaturen auf nach Selimiye.


wie Touristen ließen wir uns durch unsere alte Heimat treiben und haben den Tag mit dem ersten Eis am Stiel gefeiert – es war sooo lecker

Ermuntert durch diesen Ausflug trafen wir uns einige Tage später mit unserer Bilge samt Familie zum ersten Frühstück in Delikyol. Doch der Wettergott hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Himmel grau in grau, die Temperaturen bei kühlen 16 Grad.


wir ließen uns nicht abhalten und haben für`s Frühstück am Meer einfach die Decken eingepackt


alles saftig und grün


die gute Laune haben wir uns deshalb nicht verderben lassen, dafür war es zu schön

Das Leben ist leider eine permanente Berg- und Talfahrt. Unser guter Freund Özgür kämpfte schon länger mit seinem Feind Krebs. Im Januar haben wir ihn noch in der Klinik in Marmaris besucht. Es ging ihm nicht mehr gut und ich spürte beim Abschied, dies ist das letzte Mal. Nun hat er uns am 17. März verlassen und ist über den Regenbogen vorausgegangen. Die Endgültigkeit hat uns umgehauen, es tut nur weh. Er war gerade mal Anfang sechzig, einfach zu früh für diesen Weg. Wir vermissen ihn jeden Tag. Auch die vielen interessanten Gespräche, die Diskussionen, das lebhafte Miteinander, die gemeinsamen kulinarischen Genüsse. Und doch sind wir auch dankbar, daß wir diesen wunderbaren, hilfsbereiten Menschen kennenlernen durften. Wir werden uns wiedersehen – irgendwann, irgendwo.


Danke für all deine Hilfe bei unserem Einzug hier in Orhaniye vor bald neun Jahren

 

 

 

 

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