Mai – Wechselbad der Gefühle

Wie schnell man sich an vieles gewöhnt. Ausgangssperren, Maskenpflicht, Überwachung. Die Weltordnung wird neu geschaffen. Und nein, ich bin kein Verschwörungstheoretiker, doch ich habe ein gutes Bauchgefühl und einen gesunden Menschenverstand. Das was jetzt passiert, wird nicht mehr rückgängig gemacht werden. Angst vor Covid-19, da kann ich nur noch den Kopf schütteln. Doch Angst vor der neuen Ordnung, die ist da. Ich bin wütend, fühle mich machtlos. Ich bin traurig, wenn ich beobachte, wie mit den Menschen umgegangen wird. Was um Gottes Willen wird mit der Zukuft unserer Kinder gemacht? Ich spüre nur die Angst, die laufend neu erzeugt wird. Und die Machtgier von den Politikern dieser Welt. Wo bleiben Menschlichkeit und Ermutigung? Wo die Hoffnung? Sind wir alle unmündige Kinder, die nicht selbständig denken können? Weggesperrt werden müssen? Und das alles für etwas, von dem keiner so richtig weiß, was es eigentlich ist?

Es ist ein täglicher Kraftakt, die eigene kleine Welt zu geniessen. Doch es klappt immer besser. Mein Leben lang kämpfte ich mit Existensängsten. Die sind nun einfach weg. Das sind die positiven Auswirkungen für mein Leben. Jede Minute ist kostbar, jedes Gespräch mit den Kindern wie ein Glückshormon, den Mann an meiner Seite spüren und geniessen. Immer wieder kommt mir trotz alledem in den Sinn „What a wonderful world“.

Doch zurück zum Alltag. Die Temperaturen sind unglaublich angenehm. Nachts kühlt es an die 18° ab, tagsüber wird es nur bis 26°, für Rentner das optimale Klima. Allerdings erwischte uns Mitte Mai ein Heißluftstrom aus Afrika. Der brachte von einem Tag auf den anderen Rekordtemperaturen bis 40°. Ich konnte gar nicht so schnell die Betten von Winter auf Sommer umstellen und die Kleidung wechseln. Doch eine Woche später war die Hitze durch und nun ist es ein Traum.


nur so sind 40° auszuhalten

Am 11. Mai durften Einkaufszentren und Friseure wieder öffnen. Nach zwölf langen Wochen endlich wieder eine Schere in den Haaren zu spüren, dieses Glücksgefühl kann nur eine Frau nachempfinden.


nur mit Termin und nur zwei Personen im Salon, selbstverständlich mit Maske


eine Stunde später war ich nur noch glücklich, die Wolle endlich runter zu haben

Viele Geschäfte sind noch geschlossen, Eintritt in Bank und Post nur nach Fieberkontrolle. Spaß am shoppen ist ein Fremdwort, alles nur schnell erledigen und wieder raus.

Am Dorf ist die Welt noch in Ordnung. Unsere Vermieter brachten ihre Kuh samt Kalb, um alles abzugrasen. Für mich als Stadtkind immer noch ein Genuss.


morgens um 7 ist die Welt wirklich noch in Ordnung, das Melken in nächster Nähe war eine wunderschöne Erfahrung


das Vertrauen dieses kleinen Bullen zu erobern ebenso


hier wird gerade der neue Trieb des alten Orangenbaumes veredelt


bin gespannt, ob es klappt

Um dem Irrsinn dieser Welt zu entgehen, bin ich viel am kochen und backen. Und endlich habe ich auch das ultimative Rezept für mein Körnerbrot gefunden.


so wie es aussieht schmeckt es auch – einfach himmlisch


nur alles zusammenrühren, rein in den kalten Ofen und nach einer Stunde ist es fertig

Vor zwei Wochen bekamen wir Besuch. Mein erster Igel in nächster Nähe. Mittlerweile gehört er zu unserer Familie und wird mit Katzenfutter versorgt.


„Ignaz“ ist ein Genussfresser und putzt den Teller immer leer


Lieserl ist oft in seiner Nähe und beobachtet ihn fasziniert

Nun ist der Mai vorbei und Othmar darf am Sonntag wieder einen Freigang machen. Bei der letzten Kabinettsitzung wurde beschlossen, die über 65 und unter 18-jährigen weiterhin unter Verschluss zu halten. Die Ausgangssperre für diese Altersgruppe dauert nun schon zehn lange Wochen. Doch wir hoffen auf Öffnung der Grenzen und einen Ansturm der Touristen, damit endlich die letzten Eingesperrten hier wieder mal Freiheit schnuppern dürfen. Man wird bescheiden mit seinen Wünschen.

 

 

 

 

 

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