November – Kulturschock, Abriss, Alltagsgeschichten

Kulturschock

Wie jedes Jahr bin ich auch heuer wieder nach Deutschland geflogen, diesmal jedoch gesund. Ich habe eine fantastische irische Heilerin hier bei uns gefunden und die passt für mich. Ein inniger Dank an all meine Schutzgeister. Somit konnte ich meine deutschen Eindrücke sehr sensibel spüren. Schon am Flughafen in Dalaman ging es für die deutschen Fluggäste viel zu langsam. Und das wird natürlich verbal breitgetreten.

In München freute ich mich dafür über das gut funktionierende Schienennetz und besuchte Kinder, Freunde und Eltern. Und mit meiner Tochter ging ich shoppen wie in alten Zeiten. Doch da merkte ich, wie der Konsum anfing, mich in seinen Bann zu ziehen. Plötzlich sah ich Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie vermeintlich brauche. Und natürlich erlag ich dem Zauber – hin und wieder. Ich stromerte bewusst in diesen Tagen durch viele Läden und Supermärkte. Genoss Aldi und Lidl. Viel Schweinebraten und Sauerkraut. Deutsche Sauberkeit an jeder Ecke. Und doch – irgendetwas fehlte mir die ganze Zeit.

Als die Tage zu Ende gingen und ich den Landeanflug auf Dalaman erlebte, wusste ich es. Es war diese urtümliche starke Landschaft, das glitzernde Meer in seiner Unendlichkeit, grüne Bäume das ganze Jahr. Und – ja auch die weniger saubere Umgebung empfand ich nicht als störend. Die erste Prise warme türkische Luft, eine Sonne die mich streichelnd empfängt. Hier ist sie einfach wärmer und stärker. Das Heimkommen in ein winterliches, aber grünes Gartenparadies, freilaufende glückliche Katzen, die mich liebevoll begrüßen. Dann sitze ich endlich auf unserer Terrasse und höre – Stille. Genieße in vollen Zügen die Ruhe, den Frieden. Darum bin ich hier, ohne Konsumterror. Aber offen für jede Feinheit der Natur. Ich hoffe, dass das noch lange so bleiben wird.

Außerdem – wo kann man denn schon an einem 7. November bei strahlendem Sonnenschein mit dem Auslegerboot Freunde in der nächsten Bucht zu einem langen Brunch treffen?

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Und das mit so einem strahlenden Skipper…..

Abriss

Lange wurde geredet, jetzt ist es soweit. Mein Lieblingssupermarkt „Tansas“ fällt den Abrissbaggern zum Opfer. Mit wehem Herzen stand ich davor und nahm Abschied. Dieser Supermarkt war für mich die Verkörperung der Türkei. Das Gebäude schmuddelig, die Auffahrt zur Parkgarage immer spannend. Aber ich wußte wo der günstige Wein stand, hatte eine supernette Fleischverkäuferin und fühlte mich türkisch heimisch. Außerdem war es es der Dreh- und Angelpunkt für jeden Treff. Es hieß dann immer „du hast den Tansas im Rücken und gehst nach ……“. Jetzt ist Neuorientierung gefordert. Doch es gibt auch eine gute Nachricht. Tansas soll in neuer Pracht bis März 2012 entstehen. Wo genau ist noch nicht ganz klar. Die einen sagen, gleich hinter der Fortis-Bank, die anderen meinen beim großen Kreisverkehr. Egal wo, ich freue mich auf meine altbekannten Produkte und werde auch den „Neuen“ wieder zu meinem Lieblingssupermarkt machen.

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Alltagsgeschichten

Brotbacken ist angesagt. Der Backofen ist bereit. Nach einer 1/4 Stunde riecht es so eigenartig. Ich schaue, suche. Der Backofen geht nicht mehr. Nicht schon wieder eine Katastrophe. Othmar kommt als Retter und sucht die Ursache. Dank unserer ewig schwankenden Stromzufuhr zwischen 190 bis 280 Volt ist „nur“ die Steckdose durchgebrannt und total verschmort. Somit hat es die Sicherung rausgehauen und die Brote fallen langsam in sich zusammen. Doch mein Selfmademan hat nach kurzer Zeit in aller Ruhe den Schaden behoben und die Brote haben es wirklich noch geschafft, essbar zu werden.

Weisheit – Nachdem unsere Sommernachbarn wieder abgereist sind, ist bei uns wie jedes Jahr Katzenterror. Die hungrigen Nachbar-Monster suchen nun nach neuen Futterstellen, natürlich auch bei uns. Tägliche Jagd und blutig gekratzte Katzennasen sind angesagt. Und auch ich jage wie eine Furie bei jedem Katzenalarm nach draußen und verteidige meine sanftmütigen Kuscheltiere. Bei der letzten Jagd stutzte ich jedoch, da mein Weg versperrt war. Ich holte die Taschenlampe und stand fasziniert vor dieser wunderschönen Kröte. Die sah mich lange an, also wollte sie mir sagen: Was rennst du so verrückt durch die Gegend, lass der Natur ihren Lauf und besinn dich auf das, was wirklich wichtig ist. Wir hatten lange Blickkontakt und ich merkte, wie ein Lächeln von mir Besitz ergriff und die Ruhe mich einhüllte. Ja, so eine Kröte hat halt Lebensweisheit und sie war so freundlich, mir diese zu vermitteln. Danke dafür…..

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Gebärzeit – Regelmäßig um diese Jahreszeit erwacht hier ringsherum das neue Leben. Alle paar Stunden erblickt ein kleines Zicklein oder Schaf das Licht der Welt. Die Faszination ist immer gleich, wenn das Muttertier noch mit der Nachgeburt und das Kleinchen mit der Nabelschnur hier bei uns vorbeikommen. Dieser Anblick versöhnt mich mit den schrecklichen Nachrichten aus der ganzen Welt. Und ich lasse mich fallen in dieses Wunderwerk der Natur und genieße.

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Gerade erst mühsam das Licht der Welt erblickt wird es fürsorglich nach Hause getragen

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Unser Nachbar Tevfik strahlt über seinen gesunden Nachwuchs

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Wehrdienst – Wenn unsere türkischen Jugendlichen zum Militär müssen, ist immer ein großes Fest angesagt und alle feiern mit. So gut gelaunt kann man also auch Soldat werden. Das kannte ich nun aus Deutschland wieder gar nicht. Wie immer – jeder Tag spannend. Und wir dazwischen……

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Eine Autokarawane zieht mit viel Gehupe durch das Dorf

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In dieser Idylle kann man wirklich auf seine Nation stolz sein

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Ausgelassen wird mit viel Musik und Tanz gefeiert

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