August – Postamt, Wassersinfonie, Bank, Motorklau

Ramazan – die islamische Fastenzeit hat begonnen und dauert 29 Tage. Hier bei uns in der westlichen Ecke der Türkei merken wir allerdings nicht so viel davon. Es ist halt wie mit den Christen und vielen anderen Glaubensrichtungen. Die einen halten sich streng an die Regeln und die anderen eben etwas weniger. Und so soll es ja auch sein. Für uns ist es allerdings eine schöne Zeit, da wir täglich ab 18 Uhr bei unserer Dorfbäckerei das herrlich frische Ramazan-Ekmek (Brot) bekommen. Und da läuft einem schon das Wasser im Mund zusammen.

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Derweilen wächst und gedeiht unser Cöp-Kater (cöp=Müll) Mogli und wir haben mit ihm viel zu lachen. Mittlerweile ist er ein richtiges Quecksilber geworden, der uns alle aufmischt. Wenn er dann endlich müde ist, geht er aus unserem täglichen Spiel „Wer sich als erster bewegt, hat verloren“ meist als Sieger hervor.

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Ganz so groß ist er allerdings doch noch nicht und eine „Kiste“ war nötig, da unsere Erde knallhart ist und er seinen „Haufen“ doch glatt auf unserem Weg platzieren wollte. Man sieht ihm den Ernst der Lage doch richtig an!

Wassersinfonie

Seit fünf Wochen haben wir nun kein Dorfwasser mehr. Zu viele Touristen, viel zu viele neue Restaurants und Pensionen. Ich stehe früh am morgen wie fast jeden Tag an unserem gemauerten Wasserdepot und schütte mühsam Eimer für Eimer in unseren Brauchwassertank. Oh, was ist das heute für ein Geräusch? Ein Ächzen und Stöhnen aus dem Zulaufrohr? Zarte Luftfontänen gepaart mit Wassertropfen. Und dann – die schönste Sinfonie der Welt für unsere ausgedörrten Ohren – Wasser! Ganz langsam fängt es an, in den ausgetrockneten Tank zu fließen. Und jeder Tropfen ist wie eine wunderschöne Melodie. So schön kann also Wasser-Musik sein. Wer wie wir Wassermangel kennt, darf dann auch den Hochgenuss des fließenden Nasses erleben.

Postamt

Seit einigen Monaten haben wir hier in Selimiye ein kleines Postamt. Da ich dringend eine Foto-CD zu unserem Kind schicken möchte, hab ich meinen ersten Besuch dort gemacht. Die junge Schalterdame schaut mich fragend an und ich erkläre, dass diese CD nach Deutschland muss. Sie nimmt das Kuvert in die Hand und überlegt. Ein neuer Kunde kommt und sie ist glücklich. Drückt sie diesem doch die CD in die Hand und will wissen, was für ein Gewicht das Postgut denn so haben könnte? Im Dorfslang wird nun hin und her gefeilscht, dann nimmt sie zwei Briefmarken, schleckt und klebt sie aufs Kuvert. Kaum geklebt, löst sich jedoch die erste Ecke schon wieder ab. Türkischer Klebstoff ist halt doch nicht das Wahre. Also nochmal geschleckt und dann schnell den Poststempel drauf. Ich schaue fragend und will wissen, ob die Marken denn genügen? Evet – problem yok! Ja, kein Problem. Ob die deutsche Post auch so unbürokratisch funktionieren würde?
PS: Die CD ist nach nur einer Woche gut in München angekommen

Unglaublich, aber wahr – Bankgeschäfte

Unsere Münchner Freundin lebt hier seit zwei Jahren mit ihrem türkischen Mann und spricht daher exzellentes Türkisch. Sie haben ein Konto in Marmaris, wie halt jeder von uns. Da es immer wieder Ärgernisse mit dieser speziellen Bank gab, hat sie beschlossen, diese zu wechseln. Es gibt ja schließlich genug davon. Zwei Fahrten nach Marmaris hatte sie schon hinter sich, um die Kündigung der Konten einzuleiten. Nun sollte eine letzte Fahrt stattfinden, auf der ich zur moralischen Unterstützung mitfuhr. Um 10 Uhr waren wir bei der Bank und das Drama nahm seinen Lauf. Die Schalterdame hatte erneut tausend Fragen. Leider existierte auch eine Kreditkarte, denn diese muss separat gekündigt werden. Das funktioniert per Telefon, da der Sachbearbeiter nicht in der Filiale sitzt. Eine lange Schlange wartet auf den freien Hörer. Endlich waren wir dran. Ewiges Gezeter mit dem unsichtbaren Kreditfachmann: „Da wäre noch 30 Lira Guthaben“. Die müssen erst verbraucht werden. Gut, dann fahren wir halt zur Tierhandlung und kaufen ein. Gesagt, getan. Rein ins Parkhaus und schnell zum Laden bei 36° im Schatten. Da es mittlerweile Mittag war, holen wir Luft und gehen essen. Um 13 Uhr geht es weiter. Nun war die Schalterdame essen, wieder warten. Eine Kollegin erbarmt sich und erneute Komplikationen tun sich auf. Da will sie doch die Steuernummer haben? Ja, Donnerwetter, das liegt doch alles in zigfacher Ausführung seit Jahren vor. Ewige Verhandlungen, ewiges Warten dazwischen. Um 15 Uhr ist unsere Geduld erschöpft und wir denken daran, die weiteren Verhandlung in der oberste Etage zu führen. Unsere geballte Gedankenkraft hatte scheinbar schon genügt, denn auf einmal ging es weiter. Eine Stunde später hatte meine Freundin endlich die Konten gelöscht und das Bargeld in der Hand.

So, nun auf zur neuen Bank. Neue Abbuchungsaufträge, Geld einzahlen usw. Als dies schon nach einer Stunde erledigt war, standen wir überglücklich und fassungslos auf der Straße. So schnell kann es also auch gehen.

Und wie war jetzt nochmal die Frage, was wir hier so den ganzen lieben langen Tag machen?

Motorklau

Wie jeden Tag gehe ich runter zum Meer und will mich in die Fluten stürzen. Und wie immer gilt mein erster Blick unserer „Kalapuna“, die am Dorfsteg befestigt ist. Nur, heute stimmt was nicht. Ich wate durchs Wasser, die Sicht auf das Schiff wird klarer – und ich stehe mit offenem Mund im seichten Nass. Da, wo unser klitzekleines, gebrauchtes 2-PS-Motörchen hing, war jetzt gähnende Leere. Nur die Motorhalterung ist noch da. Ich fasse es nicht. Vielleicht ist der Motor ja runtergefallen? So klettere ich auf den Steg und will dann neben dem Schiff wieder ins Wasser. Ich mache einen tiefen Schritt, halte mich am Ruder fest, und – zerre mir meine Schulter bis zum Anschlag. Jetzt steh ich doppelt geschockt da. Nach einer Ewigkeit komme ich geistig wieder zu mir und laufe zum Haus zurück, um meinen Skipper zu informieren. Der macht eine ähnliche Schockphase durch. Wir brauchen einen ganzen Nachmittag, um diese Erfahrung zu verdauen. Und wir sind traurig, Enttäuschung macht sich breit. Und das tut weh. Wer vergreift sich wohl an solch einem uninteressanten alten Motörchen? Nun haben wir zwei Nächte darüber geschlafen und es einigermaßen überwunden. Und so hoffen wir auf ein paar Schutzgeister, die uns wieder zu einem neuen „alten Motörchen“ verhelfen. Denn ohne geht es nicht, der Wind ist einfach zu unbeständig. Was meine Schulter betrifft, die tobt  – und so werde ich mich wohl wieder meiner Aufgabe widmen: „Meiner Entdeckung der Langsamkeit“.

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